Sonntag, 25. April 2010

Inmitten der Elite

Nun also angekommen in Hohenhausen. Wer hier war, wird Hutmacher, ganz bestimmt. "Huch, Golo...möchtest du unter die Hutmacher gehen?" "Ich möchte etwas Sinnvolles tun. Etwas, das mir die Bestätigung gibt, an der Veränderung der Welt teil zu haben. Und die Hutmacherei ist ein weites Feld. Außerdem brauchen wir Hüte. Sie schützen vor Wind und Wetter. Ohne Hüte - ja wo kämen wir denn da hin?" So, oder so ähnlich. Auf jeden Fall: Verwirrung ist gut. Sie macht das Nachdenken zur unausweichlichen Kernaufgabe. Und damit sollte ich auf dem richtigen Weg sein.

Nach drei Tagen nur so viel:
Hohenhausen entspricht, obwohl ich zuvor niemals hier war, erschreckenderweise genau dem Bild, das ich von der Stadt hatte. Klein, hübsch (nicht zu verwechseln mit schön) und sich kunst- und kulturbewusst gebend einerseits. Piefig, dreckig und die krassesten sozialen Gegensätze ans Licht bringend andererseits. Am besten trifft es: künstlich. Nichts hier ist echt, nichts ist gewachsen, hat sich entwickelt, hat Zeit gehabt. Schade. Aber auch unglaublich interessant, diese künstliche Hutmacherstadt.
Alles hier dreht sich um die Hutmacherei. Die große Hutmachergilde, der Glaspalast auf dem Hutmacherberg, ist das Zentrum des sich kosmopolitisch gebenden Dörfchens. Die Armen, die die Gilde nie sehen durften und nie im Traum an eine Hutmacherkarriere glauben durften, hassen alles, was mit Hüten zu tun hat. Dass sie ohne die Hutmacher aus aller Welt noch schlechter dran wären, ist eine andere Sache.
Richtige Hutmacher kenne ich noch nicht. Doch prompt schon genug Anwärter. Die finden sich sofort in einzelnen Hördchen zusammen, fein sortiert nach Nationalität, einer stolzer als der andere über diverse Bildungs- und Praktikumsaufenthalte in Hutmachermetropolen auf der ganzen Welt, Begriffe wie Cambridge oder Yale bereits in die Begrüßung einbauend. Ferner gekleidet wie golfspielende Millionäre und sich gebend wie die Eltern eben dieser Golfspieler.
Kurzum fand ich auf meinem ersten Treffen mit zukünftigen Hohenhausener Hutmachergesellen erneut genau das Bild vor, das mir das Hirn zuvor vorschlug. Etwas langweilig, doch ich möchte nicht hochmütig sein. 60 Hutmacheranwärter auf einem Haufen müssen nicht als pars pro toto für die vielen Tausenden anderen stehen.
Ab nächstem Samstag wohne ich mit 15, tatsächlich aus verschiedenen Ländern stammenden Anwärtern zusammen. Ab dann also tiefere Einblicke in die Welt der Hüte. Ab Morgen auch der erste Tag in der Gilde. Mit Spannung und Freude erwartet, mehr noch als zuvor angenommen.
Ferner wohne ich momentan noch in einer Diskothek. "In" sei hier keinesfalls zu verwechseln mit "an, über, neben" oder ähnlichem. Das Wochenende gestaltete sich dementsprechend schlafarm, doch auch aufschlussreich: Nachdem der Schlüssel beim Türsteher gezeigt wird, darf man an der feierwütigen Müte vorbei, durch Bier- und Zigarettengestank (in Hohenhausen werden Richtlinien zum Nichtraucherschutz konsequent missachtet) sich den Weg zur Zimmertür bahnen. Beim Einschlafen das Gefühl man könne genausogut die Zimmertür offenlassen, Geruchs- und Lärmpegel seien der Gleiche.
Gut. Genug für den Moment.

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