Montag, 2. Mai 2011

Das Recht bei den Guten und die Schuld bei den Andern.

Man schleppt doch so Einiges über die Jahre mit. Kistenweise Scheiß lagert da im Hinterhirn und wird zu weiten Teilen doch nie wieder hervorgekramt. Vielleicht ist es auch einfach da; man hat vergessen, dass es da liegt, könnte es aber im entscheidenden Moment wieder hervorholen? In dem ganzen Wust findet man sich aber meistens doch nicht mehr zurecht. Wenn man einfach aufräumen könnte; das Unnütze einfach wegschmeissen. Aber nein. Gerade das Unnütze, mehr noch: das Störende, immer im Weg Rumliegende, sodass man jedes Mal drüber fällt, wenn man den Speicher betritt: das bleibt immer da. Kann man hunderte Male wegpacken, zukleben, aus Wut hinter den Schrank werfen und in Situationen wie neuerdings immer öfter: erst zerreissen, dann anzünden, zum Schluss auf die Asche spucken. Vielleicht bald drauf pinkeln. Kommt trotzdem immer wieder.
Mein persönliches Ich-raste-aus-und-bring-dich-um-du-Überbleibsel und ich feiern irgendwann diese Woche Jahrestag. Komisch, ich weiß nicht mal genau, was das für ein Tag war, an dem das passierte. Ob es ein schöner Tag war, ob irgendwas anders war an diesem Tag. Alles ziemlich verschwommen und auch ein bisschen egal. Bis ich dann verstanden hatte, wer sich da an mich dran geheftet hatte, bis heute auf meiner Schulter hockt und mir mit den Jahren einen ordentlichen Buckel bereiten wird. Dieses kleine Ding und ich hatten eine ziemliche Scheißzeit zusammen. Da war immer was Neues, was immer noch Krasseres, Heftigeres, Erschreckenderes. Bis der Unfug nicht mehr so regelmäßig kam; bis ich dachte, ich sei diesen kleinen Auswuchs doch endlich los.
Und: bis dann alles auf perverse Weise normal wirkt. Man dieses spießige Leben führt und sich stolz als Spießbürger präsentiert. Da sitzt es dann wieder, macht Gelächter im Park und Kindsein auf Bahnhöfen zunichte. Versaut einem schlussendlich die wenigen perfekten Momente. Die mit gutem Rotwein hoch oben über der Stadt und dem Glück, vor dem man platzen möchte.
Dann will man völlig müde von so viel gutem Leben nichts mehr von der Welt haben und da steht es wieder. Immer anders verkleidet; manchmal kommt es auch früh morgens, per Anruf oder SMS. Mittlerweile sogar per E-Mail. Und bleibt dann erst mal. Man sucht das liebe Gesicht, mit dem man gerade die ganze Sause geteilt hatte und da ist nichts mehr. Man sucht und sucht und findet irgendwann so einen erbärmlichen Haufen Elend, der schon vergessen hat, was denn da überhaupt so schön war an diesem Leben.
Und jedes Mal meint man, nun - endlich! - habe man die Situation durchschaut. Das nächste Mal würde man schneller sein, den Kerl sofort erkennen und durchschauen.
Das habe ich mir im letzten Jahr an die 365 Mal gesagt. Gestern Abend das letzte Mal. Funktioniert nicht, zu viele gute Dinge hat mein Überbleibsel schon kaputt gemacht. Es ist also da und wird nicht mehr gehen.

Wenn irgdenwann soviel bleibt, von dem Schlechten, was gewesen ist im eigenen Leben, dann gehört es vielleicht dahin. Und ist sicher auch nicht nur schlecht. War einem Lehrmeister in Tugenden, die man für angeboren gehalten hatte und am Ende doch ganz von vorn ins Hirn prügeln musste. Geprügelt bekam, viel eher. Hat gezeigt, dass man nie irgendeinen Furz in dieser Welt als einfach da verstehen sollte.
Und am wichtigsten: Hat einem zu verstehen gegeben, dass man stark ist, viel mehr als man dachte. Dass man mehr aushalten kann als man geglaubt hatte. Und, dass man sich am Ende nur und allein und ausschließlich vor sich selbst rechtfertigen muss und vor niemandem sonst.
Und gestern: Dass man selbst einer von den Guten ist. Die fehlende Hand - die fremde Hand - die die Eigene nicht hält, existiert gar nicht. Die hat man entweder schon selbst oder sie wächst irgendwann.

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